Die Tücken der Medien – wenn harmlose Unterhaltung zum Alptraum wird


22 Uhr, statt seligen Schnarchens dröhnt Kindergesang aus dem Babyfon. Der Prinz gibt sein Bestes: „Ey Digga, ich bin nicht allein hier, ich hab meine Pussy bei mir, und es geht rampampam“. Ja, er singt tatsächlich Pussy, obwohl es im Originalsong Posse heißt. Ups. Mal wieder ein „falsches“ Lied gehört?

Dass „Saw“ kein Familienfilm ist und Kinderlieder ohne „Sido-Texte“ auskommen, sollte klar sein. Hin und wieder kann es jedoch passieren, dass sich auch vermeintlich harmlose Medienangebote in Alpträume verwandeln.


Hilfe, der Mond stürzt ab!

Wunderschöne Cello-Musik, die vor traumhaften Kulissen gespielt wird: malerische Strände, zauberhafte Burgen, Märchenwälder. Wer ahnt hier schon Böses? Wir nicht und schauten uns mehrere Videoclips an. Sorglos verfolgten wir auch das nächste Stück, "The show must go on".
Voller Begeisterung entdeckte der Prinz den Mond, groß, rund und schön. Weniger schön war dessen Kondition, denn der Himmelskörper schwächelte im Laufe des Videos und stürzte ab, was letztlich den Weltuntergang bedeutete. Schwere Kost für einen Dreijährigen?

Bedingt. Die zerstörten Häuser und flüchtenden Menschen bereiteten dem Prinzen keinerlei Sorgen, dafür hatte er umso größeres Mitleid mit dem Mond. Der arme, der fiel einfach vom Himmel!
Ich legte mich mächtig ins Zeug, um ihn in Sicherheit zu wiegen, und erzählte von Spezialeffekten im Film. Dennoch hing das Kind den halben Abend am Fenster und kontrollierte, ob der Mond noch da war. Zu meiner Erleichterung nicht ängstlich oder panisch, sondern neugierig. „Mami, wann stürzt er denn endlich ab? Ich wollte doch auch einmal sehen, wie der Mond abstürzt…“

Etwas enttäuscht über die ausbleibende Apokalypse musste sich der Prinz mit dem Videoclip zufriedengeben. Diesen verlangte er in den folgenden Tagen mehrmals: „Bitte zeig mir den Mondabsturz.“ Dass er dabei alle Filmtricks genau unter die Lupe nahm, versteht sich von selbst.


*Würg* Ich bin ein Bluthase *Würg*

Wesentlich dramatischere Auswirkungen hatte „ein Film für die ganze Familie ab 0 Jahren“: Zoomania. Gemütlich unter dem Weihnachtsbaum sitzend, drückten wir auf play. Gleich die erste Szene glänzte mit Überraschungseffekt: Wir erblickten einen Hasen, der sich blutend auf dem Boden wand und gurgelnde Laute von sich gab. Bevor wir es schafften, auf den Stopp-Knopf zu drücken, ging es effektvoll weiter: „Du bist tot! Dann bist Du tot!“ wurde in Endlosschleife gedroht.
Schockstarre bei den Erwachsenen, eine unbeeindruckte Miene beim Kind. Alles noch mal gut gegangen?

Erste Zweifel wurden laut, als sich der Prinz eine Woche später der Länge nach auf den Spielplatz hinwarf und schrie: „Ich bin ein Bluthase, ich bin Bluthase“. Dabei griff er sich bühnenreif an den Hals und gab Würgegeräusche von sich. Dass der Film Spuren hinterlassen hatte, zeigte sich auch im Alltag. „Guck mal, meine Hausschuhe sind ganz blutig“, „Sieh mal, da ist Blut auf meinen Händen“ und „Mama hat Blut auf ihrem Toast“ sind Beispiele dafür, dass rote Dinge – Marienkäfer, Farbe, Marmelade – plötzlich mit Blut assoziiert wurden. Merke: Traue keiner FSK, wenn Du den Film nicht vorher selbst gesehen hast.

Auch wenn es schwer zu glauben ist, es geht noch schlimmer. Was kann verstörender sein als ein blutiger Hase und Du-bist-tot-Schreie? Genau... der Sandmann.


Quelle: Pixabay
Der Sandmann: Held oder Kinderschreck?

Der Sandmann: Alptraum in Person

Nahezu alle Kinder in Deutschland kennen ihn: Ein bärtiger Typ mit Führerschein für Fahrzeuge aller Art, der durch die Lande reist und Gute-Nacht-Geschichten in einem Röhrenfernseher vorführt. Da er die Kinder zum Abschied mit magischem Schlafsand bewirft, nennt er sich Sandmann. Wäre es nicht schön, wenn der Sandmann auch einmal zu einem selbst nach Hause käme?

Auf gar keinen Fall, so der Standpunkt des Prinzen. Er glaubt nicht an magischen Schlafsand. Stattdessen hält er den Sandmann für einen Hochstapler: Sicherlich hat dieser in seinem Sack nichts weiter als gewöhnlichen Sand, der in den Augen brennt. Der Schmerz ist es, der bei den Kindern das Augenreiben verursacht.

Leider wusste des Prinzen Tante nichts von dieser Verschwörungstheorie, als sie ihn ins Bett locken wollte. „Komm, wir gehen jetzt schnell ins Bett, dann kommt vielleicht der Sandmann zu Dir.“
„Der Sandmann? Nein, ich will nicht! Der soll nicht zu mir kommen!“, antwortete der Prinz leicht panisch und zog alle Register, um das Schlafengehen hinauszuzögern. Als er schließlich doch im Bett lag, wurde er von purer Angst ergriffen. „Ich will nicht, dass der Sandmann kommt, der Sand tut weh in den Augen“, wiederholte er mehrmals unter bitterlichem Weinen. „Das tut so weh, das brennt, ich will keinen Sand in meinen Augen“, ging es herzzerreißend weiter.
Unsere Beteuerungen, dass der Sandmann nicht echt sei und lediglich in Geschichten existiere, beruhigten den Prinzen zwar, aber das Weinen konnte er nicht lassen. Nur schluchzend fand er nach einer gefühlten Ewigkeit in den Schlaf.

Nach all diesen Alpträumen kann ich über Lieder mit zweifelhaften Texten nur schmunzeln. Passt ja auch irgendwie zu Moabit. Oder, Digga?

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