Der Kampf um öffentliche Grünanlagen – wenn aus Lieblingen nervige Rotzgören und kläffende Köter werden


Bandenkriege in den USA, Hooligans in England, Autoanzünder in Frankreich. Auch Deutschland hat Probleme zu bewältigen – auf unseren Straßen tobt ein erbarmungsloser Kampf mit verhärteten Fronten.

  
Rückblick: Ein sonniger Vormittag in Berlin

Einem mittelgroßen Park, zwischen Wohnhäusern gelegen, stand Großes bevor: Ein Architekt wollte ihn umgestalten und verschönern. Während sich bisher hauptsächlich Drogendealer und deren Kunden von dem recht tristen Fleckchen angezogen fühlten, sollte der Park künftig auch für Anwohner mit anderen Berufen attraktiv werden.
Um Interessierten die Ideen des Architekten vorzustellen, wurde eine Begehung angeboten. Etwa 15 Rentner versammelten sich überpünktlich am Parkeingang, in letzter Minute gesellten sich noch etwa 10 jüngere Menschen hinzu. Die meisten von ihnen brachten ihre Lieblinge mit: Hunde und Babys.


Was wirklich bewegt

Bereits nach ein paar Schritten wurde klar, dass die Anwohner kaum Interesse an Landschaft und Blumen zeigten. Noch ehe der Architekt drei Sätze sprechen konnte, wurde er unterbrochen.
„Kommt endlich diese hässliche Hundewiese weg?“, fragte ein Mann mit Babytrage. Eine Frau, die eben noch ihren Hund getätschelt hatte, schnappte nach Luft und sprang auf. Fast schon drohend wandte sie sich an den Baufachmann: „Ich hoffe, Sie führen keinen Leinenzwang ein!“
Von der Mittagshitze angestachelt, mischte sich eine Mutter mit Zwillingswagen ein: „Natürlich brauchen wir Leinenzwang. Die Köter sind eh schon überall!“ Ein anderes Elternteil pflichtete ihr bei: „Genau. Sollen unsere Kinder etwa weiterhin im Hundekot spielen?“ 
Die kollektive Entrüstung der Hundebesitzer ließ nicht auf sich warten: „Unsere Hunde haben so schon kaum Platz in der Stadt, aber für Kinder findet man überall etwas. Das kann ja wohl nicht angehen!“

Der Architekt schien auf diese Wendung nicht vorbereitet zu sein und schaute etwas ratlos in die Menge. Die Rentner, obwohl in der Überzahl, schwiegen. Es war offensichtlich, welche Frage den (lauten) Anwohnern wirklich am Herzen lag: Sollte der Park ein Baby- oder ein Hundeparadies werden?


Liebe und Hass

Mich, zu diesem Zeitpunkt kinder- und hundelos, überraschten die verfeindeten Lager.
Vielmehr sah ich zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen Hunden und Kindern: Beide waren öfter auf allen Vieren unterwegs, leckten dreckige Gegenstände an und verstanden es meisterhaft, Anweisungen von Erwachsenen zu ignorieren. Auch das mit der Toilette schienen weder Kinder noch Hunde auf Anhieb zu begreifen.

Ein Blick auf das Konsumangebot für die Lieblinge der Deutschen verrät, dass die Industrie ebenfalls Parallelen erkennt. Beispielsweise bieten pfiffige Unternehmer, ganz nach dem Motto Was für Menschenkinder gut ist, kann für Hunde nicht schlecht sein, Hundenuckel und -tragen an. Im Gegenzug können Hundeleinen – pardon, Sicherheitsleinen – für Kinder mit (zu) großem Freiheitsdrang erworben werden.

Was für den einen gut ist, kann für den anderen nicht
schlecht sein? (Quelle: Pixabay)

Auch Werbetexter haben sich eine gemeinsame Ausdrucksweise zugelegt, wenn es darum geht, den „Zähnchen“ und „Füßchen“ unserer „Schätze“ etwas Gutes zu tun oder darum, unsere „Lieblinge“ einfach zu „verwöhnen“. Würde in der Artikelbeschreibung das Foto fehlen, wüsste man nicht, für welche Spezies er gedacht ist.

Während sich die Industrie auf Gemeinsamkeiten und das Geschäft mit der Liebe konzentriert, werden diese Aspekte auf den Straßen übersehen. Dort tobt der Hass, der die Gegenseite in nervige Rotzgören und kläffende Köter verwandelt.


Und heute?

Drei Jahre nach der Begehung ist der Park fertig. Die Verschönerung wird durch ein paar Felsbrocken verkörpert, die auf dem Gelände verteilt liegen. Die neuen Elemente kommen gut an: Die Kinder nutzen sie zum Klettern, die Hunde zum Pinkeln und die Fans von bewusstseinserweiternden Substanzen integrieren sie in ihre Visionen. Die Wiese gehört offiziell den Vierbeinern, während die Menschensprösslinge einen eingezäunten Sandkasten ihr Eigen nennen können. Wer Schutz vor Hunden sucht, muss in den Käfig gehen.
1:0 für die Hunde?

Höchstens in der Theorie, denn in der Praxis interessieren sich weder die Hunde noch die Kinder für die Grenzen der Erwachsenen. Als mittlerweile-Mutter und noch-nie-Hundefan muss ich einsehen: Letztendlich wollen „unsere“ Lieblinge nur Eines – Freude aneinander haben. Vielleicht sollten wir von ihnen lernen.

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