„Ich habe die Schnauze voll von Mozart!“ – wenn ein Kleinkind die Welt der Musik entdeckt

Der Musikgeschmack ist von Mensch zu Mensch verschieden – darüber sind sich Erwachsene einig. Geht es jedoch um Kinder, scheint diese Weisheit nicht zu gelten. Einhellig werden sanfte, ruhige Töne empfohlen, am besten instrumental. Was der Prinz von Moabit von dieser Empfehlung hält, erfahrt Ihr in diesem Blogpost.


Rammstein im Mutterleib?

Die „musikalische Bevormundung“ beginnt bereits im Mutterleib. Besonders angepriesen wird klassische Musik, denn diese sei nicht nur für Ungeborenen-Ohren angenehm, sondern fördere zudem das mathematische Verständnis. Dass gerade dieser Bereich hervorgehoben wird, liegt vermutlich am Zeitgeist – Musik zur Förderung zukünftiger Karrieren als Zirkusartist oder Logopäde wird zumindest nicht empfohlen. 

Was machten diese – nicht unumstrittenen – Erkenntnisse mit uns? Mutierten wir in der Schwangerschaft zu Klassikjunkies?
Nein, ganz so „schlimm“ wurde es nicht. Jedoch frischten wir unsere Erinnerungen in diesem Genre auf und entdeckten so einige ehemals geliebte Stücke wieder. So kam es, dass unsere Playlist neben Pop und Rock fortan die Cello Suiten von Bach enthielt und auf Lieder von Rammstein Mozarts Mondscheinsonate folgte.


Tamburin und Flöte – ein einschläferndes Duo?

Voller Spannung beobachteten wir die Reaktionen unseres Neugeborenen auf Musik. Schnell mussten wir jedoch feststellen, dass Erkenntnisse über den Geschmack des Prinzen so gut wie unmöglich waren, denn er hampelte die ganze Zeit herum – egal, ob Musik lief oder nicht. Ich bildete mir zwar ein, eine besondere Begeisterung bei „Les Toreadores“ von Bizet zu erkennen, aber wahrscheinlich spiegelte die Feurigkeit dieses Liedes einfach nur sein Temperament wider.
Auch die „Gute Nacht“ und „Schlaf gut, Baby“ CDs zeigten keine Wirkung. Während in der Literatur Tamburin- und Flötenmusik als Einschlafmittel gilt, half bei uns nur eins: Krach. Am effektivsten waren dicht befahrene Straßen zur Hauptverkehrszeit mit Unmengen an lauten Passanten auf dem Gehweg. Waren zudem lärmende Baustellen und kreischende Schulkinder in der Nähe, erhöhte sich die Chance auf Schlaf.


„My name is techno, call me electro…“

Na gut, dachten wir, warten wir einfach ein bisschen. Mit einem Jahr wurde unsere Geduld belohnt und wir erhielten Einblick in den Musikgeschmack unseres Sohnes. Während eines Spaziergangs durch den Mauerpark gab es verschiedene Stile zur Auswahl. Die Präferenz des Prinzen war klar: Elektro, nah an der Grenze zum Techno.
Dabei blieb es bis zum zweiten Geburtstag, abgesehen von ein paar Abstechern in die Welt des Klezmers.
 

„Nach dem Essen hören wir das Fagott!“

Für die (Wieder-?) Entdeckung der Klassik sorgte ein Buch von Magali Le Huche: „Orchester der Tiere“. Hier spaziert ein Hund namens Pippo durch den Wald und trifft auf verschiedene Tiere, die Instrumente spielen. Diese können per Knopfdruck gehört werden. Im Finale finden alle Tiere zusammen und spielen ein Orchesterkonzert. Was interessiert einen Zweijährigen am meisten?
Der Flügel, das Xylophon, der riesige Kontrabass? Nö, natürlich das Fagott, was sonst! In der ersten Zeit konnte sich der Prinz nur schwer von seinem Lieblingsinstrument losreißen. Selbst beim Essen dachte er daran. „Mama, Mami, nach dem Essen hören wir das Fagott!“, verkündete er am Küchentisch.

Da Pippo und seine Freunde so gut ankamen, besorgten wir das Buch „Auf Mozarts Spuren“. Hier kann verfolgt werden, wie der Hund mit seinem Freund Mitzie überall in der Stadt Kompositionen von Mozart hört. Der Liebling unseres Prinzen ist jedoch nicht unter den Helden oder Melodien zu finden. Es ist ein Nebendarsteller: Der wütende Nachbar, der zornig mit dem Besen auf den Boden stampft und schimpft, weil er die Hausparty von Pippo und Mitzie zu laut findet.
Ein zweites Highlight ist die Königin der Nacht. Vor allem ihre Erscheinung macht Eindruck: „Mami, wenn ich mir ein langes Kleid anziehe und eine Krone und die Haare so komisch mache und den Mund so aufmache, dann bin ich auch die Königin der Nacht. Dann gehe ich auf die Bühne und die Menschen im Publikum sagen: Oh, da ist ja die zweite Königin der Nacht!“ Ich sehe diesen Auftritt schon gedanklich vor mir – und freue mich darauf.


„Und im eeewigen Kreeeis…“

Kurz nach dem dritten Geburtstag meinte der Prinz: „Ich habe die Schnauze voll von Mozart!“ und schnappte sich sein Radio.
Ein Kinderradio, das von den Kleinen selbst bedient werden kann, verspricht auf den ersten Blick Entlastung. Schließlich wird für die Eltern der „Nochmal, nochmal!“-Gang zum Abspielgerät überflüssig. Nach eins, zwei Nächten kristallisiert sich jedoch der negative Aspekt heraus: Aus „Nochmal, nochmal!“ wird eine stundenlange Endlosschleife ein und desselben Liedes. Egal, wie müde das Kind, egal, wie weit entfernt das Radio vom Bett ist – es wird Energie finden, um auf die Wiederholtaste zu drücken.
Beim Prinzen stehen derzeit der „Zauberer Korinthe“ – vor allem die gruselige Orgelmusik hat es ihm angetan – und „Der ewige Kreis“ aus König der Löwen ganz hoch im Kurs.
Die Dauerbeschallung könnte für Elternohren nervig sein, aber der Niedlichkeitsfaktor, der sich durch das Mitsingen ergibt, entschädigt einfach für alles. Da hört man gern zwei Stunden lang „und im eeewigen Kreeeis“, gewürzt mit den Versuchen, auf Swahili zu singen.


Geistermusik und sphärische Klänge zum Frühstück

Welchen Effekt haben alte, verschnarrte Schallplattenaufnahmen auf einen Dreijährigen? Sie regen die Fantasie an.
„Die singt ja wie ein Geist!“, so der Prinz, nachdem er während des Frühstücks gebannt einer Opernarie gelauscht hatte. Sein Kommentar zum anschließenden Instrumentalstück: „Das klingt ja wie der Saturn!“ 
Wer Musik in hoher Auflösung gewohnt ist, kann schlechte Qualität scheinbar schnell mal mit Mystik verwechseln. Ich frage mich, was er zu verpixelten YouTube Aufnahmen sagen würde. Mutiert die Sendung mit der Maus dann zum Horrorfilm?

Wie der Prinz zur musikalischen Früherziehung steht, erfährst Du hier: Musikalische Früherziehung - Genuss oder Tortur?

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