Der Prinz in Binz – unser erster Familienurlaub im Rentnerparadies

Die Jüngsten und die Ältesten, Kinderwagen und Rollator, Pampers und Gebiss – passt das zusammen?

Bei der Buchung unseres ersten Urlaubs mit Kleinkind im Mai 2016 war uns diese Frage völlig fremd. Wir hatten lediglich ein Haus am Meer, eine kurze Reisedauer und eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel im Sinn. Ein Fehler?


Schreckgespenster der Vergangenheit

Vielleicht, dachte ich, als ich mir das Wort „Kurort“ auf der Zunge zergehen ließ. Sogleich stiegen Erinnerungen an die Brockenhexen, die sich selbst als Rentnerinnen bezeichneten, in mir hoch: In ferner Vergangenheit wollten meine Eltern uns Kindern etwas Gutes tun und buchten eine Herbstreise in den Harz. Gleich am ersten Tag lernten wir, was „Kinderfeindlichkeit“ bedeutete. Wir konnten den älteren Herrschaften einfach nichts recht machen – wir liefen zu schnell, aßen zu laut, schwammen zu wild (und dazu noch ohne Badekappe, ein Skandal!). Selbst beim Wandern passte es ihnen nicht, dass wir uns über die Hügel kullern ließen.
Solche Erfahrungen wollte ich unserem damals einjährigen Sohn ersparen und hoffte auf das Beste. 


Wer braucht schon Fenster im Zug?

Es gibt das Gerücht, dass Kinder während einer Zugfahrt gern aus dem Fenster schauen oder sogar schlafen. Gut gemeint parkten wir also den Kinderwagen bei der Hinreise vor dem Fenster. Dort blieb der Prinz auch ganze fünf Minuten lang sitzen, allerdings ohne einen Blick nach draußen zu werfen. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, seinen Gurt zu lösen. Auf unsere Versuche, ihn für die Landschaft zu begeistern, ließ er sich nicht ein. Wer braucht schon Fenster im Zug, wenn es lange Gänge zum Rennen und Stangen zum Klettern gibt?

Da er gerade erst damit begonnen hatte, Laufen zu lernen – „Rennen“ traf es eher – war er bei der Erkundung des Zuges entsprechend wackelig auf den Beinen. Hinzu kam die Tatsache, dass er noch nicht selbst anhalten konnte. Wenn er stehenbleiben wollte, ließ er sich einfach der Länge nach fallen – selbstverständlich, ohne vorher die Geschwindigkeit zu drosseln. Bei dem Geschaukel des Zuges war das besonders lustig.

Je grimmiger die Passiere schauten und je stärker sie sich abwandten, desto interessanter schienen sie für den Prinzen zu sein. Freudestrahlend setzte er sich mit Vorliebe zu eben diesen Personen oder versuchte, über deren Koffer zu klettern.
Auf den letzten Metern stiegen zwei ältere Damen ein, die seit Jahrzehnten Stammgäste in Binz waren. Und siehe da, es ging auch anders: Dem Charme des Prinzen hoffnungslos erlegen, winkten sie ihm zu, spornten ihn bei seinen akrobatischen Einlagen an und ließen ihn sogar mit ihren Krückstöcken spielen.    


Google Maps vs. Realität

Unser Weg vom Bahnhof zur Ferienwohnung war einfach und kurz – dachten wir. In Google Maps sah es jedenfalls so aus. In der Realität erwarteten uns allerdings abschüssige Wege, Pflastersteine und mehrere Hügel. Zudem konnte der angezeigte direkte Weg nicht genutzt werden. Mit zwei Koffern, mehreren Tüten und einem Kinderwagen in der Hand hielt sich unsere Begeisterung in Grenzen. „Immerhin regnet es gerade nicht.“ „Ja, und zum Glück haben unsere Koffer rollen“, munterten wir uns gegenseitig auf.

Endlich angekommen, konnte bei der Wohnung und dem Meer die Realität punkten. Der Strand war direkt vor der Tür, inklusive Strandkorb, und die für Unterkünfte typischen Oma-Blumenmuster hielten sich in Grenzen.


Auf in die Fluten

Zwischen diesen zwei Orten – Strand und Wohnung – tingelten wir in den nächsten vier Tagen hin und her. Da es zum Baden noch viel zu kalt war, hatten wir uns zuvor folgendes Bild ausgemalt: Wir blicken auf das Meer, suchen nach Muscheln, bauen Sandburgen und lesen Bücher im Strandkorb. Tatsächlich passierte das: Der Prinz rannte auf das Meer zu – und direkt hinein. Ganz ohne Scheu warf er sich auch noch auf den Bauch, ehe wir ihn einfangen konnten. Wie gut, dass wir keine wasserfeste Kleidung dabei hatten...

Oversize - in Binz auch bei Kindern "in"
Dass das Kind AN das Meer möchte, hatten wir uns gedacht. Aber IN das Meer? Total abwegig! Da wir nun eines Besseren belehrt wurden, mussten wir wohl oder übel eine Shoppingtour starten.
Auf der Promenade im Ortskern gab es genau ein Geschäft für Kinder. Im Prinzip vollkommen ausreichend, es sei denn, man sucht etwas für Einjährige. Scheinbar sind die durchschnittlichen Binzer Kinder größer (oder dicker?). Dementsprechend fiel unsere Beute aus: eine viel zu weite Matschehose und Gummistiefel, die an unserem Sohn wie Overknees wirkten. Besonders praktisch für Laufanfänger im Zuckersand.

Den Prinzen interessierte das Shopping herzlich wenig – wesentlich spannender waren diverse Blumenkästen, Poller und die Lieferantenzufahrt des Supermarktes. 

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